„Weist Du noch, wie das damals war?“ Erneut brummen Teddybären über Gleichgültigkeit, Intoleranz und gegen das Vergessen

 

„Das Merkwürdige an der Zukunft ist wohl die Vorstellung,

dass man unsere Zeit einmal die gute alte Zeit nennen wird.“

Ernest Hemingway

 

„Nimm mich doch mal ganz fest in den Arm und erkläre mir bitte, warum unsere heile Bärenwelt irgendwie durcheinander gerät. Du bist doch ein gescheiter Teddy und hast den Necknamen unserer Bärenmama „Brummi“ , weil sie manchmal so brummig drein schaut und noch brummiger redet.“

 

Der kleine Steiff-Teddy Brauni ist ganz verzweifelt und klammert sich voller Hingabe und Zuversicht an seinen großen Freund. Ihm ist bange um’s Bärenherz, denn irgendwie scheint die Welt um ihn herum gerade „verrückt“ zu spielen. Teddybären sind ja gescheiter als mancher denkt, denn sie bekommen alles mit, was im Fernsehen gebrummt wird, sie sehen mit ihren Knopfaugen, wenn ihre Bärenmama traurig oder fröhlich ist und sie kommunizieren mit Tatzen und Pfoten untereinander. Ist ja nicht so, als wenn Teddybären keine Gefühle, Ängste und Sorgen hätten!

 

 

Brummi kann seinem Freund natürlich nicht erklären, warum die Menschheit nicht aus den schlimmen Jahren der Nazizeit und den zwei Weltkriegen gelernt hat; warum sie die gleichen Entwicklungen wieder zu lassen, ohne sie als solche zu benennen und warum sie wieder als Schlafwandler durch das politische Geschehen wanken. Dazu ist Brummi nicht schlau genug, denn Teddybären politisieren nicht..........

Es gibt also so einiges, was unser Brummi nicht erklären kann. Er kann aber über die Veränderungen reden, die er und seine Freunde selbst erleben, denn sie sind ja mit Bruno, dem Hausherrn des gleichnamigen (Teddy)-Bärenmuseums und den dazugehörenden bärigen Aktivitäten eng mit dem Leben da draußen verbunden.

„Ach Brauni“ brummt Brummi seinem Freund ins Ohr „die Menschen haben uns Teddybären nun schon seit über 100 Jahren als Freund, Begleiter, Tröster und sammeln uns mit Hingabe. Einige Menschen jedenfalls; leider gibt es immer wieder arme Geschöpfe, die nichts mit uns anfangen können. Solch unbäriges Verhalten ist bisher meistens im Verborgenen geblieben. Mit diesen neuen Medien, die sie als „sozial“ bezeichnen, wird das nun aber für jeden auf dem gesamten Globus sichtbar (ob man das will oder nicht). Ich will Dir das mal an unserem Familienfoto erklären...

Früher haben wir als Familie zusammengesessen, Bärenvater, Bärenmama und die Bärenkinder, ja sogar das Hündchen durfte nicht fehlen; wir haben gekuschelt und haben zusammen gelesen.“

„Lesen... können das nur wir Bären?“ unterbricht Brauni die Ausführungen seines Freundes.

„Tja, leider scheint es immer öfter der Fall zu sein, dass Kinder nicht mehr lesen lernen/wollen/können. Aber die Erwachsenen verlernen das auch zunehmend. Du musst mal mit unserem Internetbären schauen, was da so abgeht. Es gibt keine vollständigen Sätze mit Subjekt, Prädikat und Verb mehr; manchmal ist unklar, ob die verwendete Sprache eigentlich „deutsch“ ist oder „ausländisch“- auf jeden Fall nicht „bärig“. Raten ist gefragt. Und dann der Blödsinn, der da so mitgeteilt wird. Jeder kommentiert alles mit „ah“ und „oh“ , sendet ständig neue Profil- statt Bärenfotos und LIKED bis das WWW zusammenbricht. Wertvolle Zeit wird hier sinnlos vertan, die mit Lesen von interessanten Themen genutzt werden sollte.“..............

 

Brummi holt einige Bärenbücher aus dem Regal und präsentiert sie der Bärenfamilie, die es sich unter den Fotos der Ahnen gemütlich gemacht hat. Unsere Ahnen, die schon vor Jahrzehnten mit Teddybären gespielt haben.

„Schau mal Brauni, Lesen tut gar nicht weh. Es geht beim Sammeln um mehrere wichtige Dinge:

...zu allererst müssen wir Teddybären geliebt werden. Da ist es gleichgültig, wo wir herstammen – ob aus Giengen, aus Coburg oder von welchem Ort auch immer. Unsere Knopfaugen müssen leuchten, wenn wir in ein neues Heim kommen.

...wir müssen einen Namen bekommen (man will ja schließlich angebrummt werden) und wir müssen etwas über unsere Herkunft erfahren bzw. an wen oder was wir erinnern. Es reicht doch nicht aus, wenn z.B. unsere BärSönlichkeit „Der Alte Fritz“ „nur“ prachtvoll angezogen ist und gar majestätisch daherkommt. Wir müssen wissen, wer er war, was sein Leben geprägt und in welcher Epoche er gelebt hat. Hast Du gewusst, dass er uns die Kartoffeln gebracht hat? Oder hast Du gewusst, dass Heinrich Zille für Tucholsky nichts anderes war als „Berlins Bester“? Einsteins Gemahlin unter Kurzsichtigkeit litt? Oder woher der Spruch „Preise wie bei Bolle“ stammt?“

Brummi ist schon erschöpft, so sehr ereifert er sich über die Ignoranz und Gleichgültigkeit einiger sogenannter Sammler. Doch er hat ja Bruno.....

 

„Seit nunmehr 10 Jahren gibt es unser Bärenmuseum und erfreut sich großer Beliebtheit... bei Menschen, die sich nicht zu schade sind, einige Minuten einfach in eine Welt voller bäriger Geschichten einzutauchen. Aber wir stellen fest, dass auch hier offenbar „Lesen“ schwerfällt, denn die Verweildauer bei interessanten Rundgängen scheint begrenzt.“ Brummi erzählt seinem Freund, dass Bruno beklagt, Facebook mache ihm Konkurrenz.

„Der Name täuscht ja: Facebook heiß übersetzt „Gesichtsbuch“. Doch wer zeigt hier sein wahres Gesicht? Und in welchem Buch?“

Wenn Brummi wüsste, dass es schon zu Goethes Zeiten offenbar Facebook gegeben haben muss:

„Man liest viel zu viel geringe Sachen, womit man die Zeit verdirbt und wovon man weiter nichts hat. Man sollte eigentlich immer nur das lesen, was man bewundert.“

Johann Wolfgang von Goethe

 

„Schau Brauni“, nimmt Brummi seine Erklärungen wieder auf,

„...wir wollen mit unserem Bärenmuseum und unseren Büchern einen Beitrag leisten, dass Teddybären zum Leben erweckt werden und immer auch den Zeitgeist und die Entwicklungsgeschichte einer Epoche, sowie die Kultur der Menschheit - in Miniaturform - widerspiegeln. Teddybären und Freunde sollen in einer Erlebniswelt der besonderen Art betrachtet werden.“

„Aber sind wir denn auch modern genug, um bärige Begeisterung hervorzurufen?“ will der kleine Brauni wissen.

„Na klar“ brummt Brummi empört. „Schau doch nur unsere Helfer an...“

„Brunos Bärenmuseum ist digital - so heißt das neue Schlagwort und kommt wie unser Name aus dem Lateinischen. „Ursus digitalis“ bedeutet nichts weiter als „Bären zeigen mit dem Finger, äh der Pfote auf das Wesentliche“. Wir ermöglichen einen virtuellen Rundgang durch die Geschichte und in Vorträgen kann man uns multimedial betrachten.“.........

 

„Wir Teddybären kämpfen mit unseren Aktivitäten gegen Gleichgültigkeit, Intoleranz und gegen das Vergessen“ brummt nun auch der Bärenvater und erklärt seiner Familie, dass Gleichgültigkeit manchmal auf dem Mangel an Phantasie und gutem Willen beruht; dass Bären Intoleranz gegenüber Teddybären nicht akzeptieren und diese auf der Unfähigkeit beruht, über den eigenen (manchmal langen) Schatten zu springen und dass Teddybären gegen das Vergessen kämpfen werden, solange sie können. „Menschen vergessen, die Geschichte nicht und Schweigen ist nicht die moderne Form der Kommunikation.“

Noch lange unterhalten sich unsere Teddybären über alte und neue Zeiten, über Bären und ihre Botschaften. Sie wissen, dass man Vergangenes nicht ungeschehen machen, aber für die Zukunft daraus lernen kann. Und so werden sie weiter ihre Geschichten erzählen, das Weltgeschehen kommentieren und dafür kämpfen, dass Teddybären nicht in Vergessenheit geraten. Sie werden noch moderner – digitaler – werden, um ihre Botschaften Bärenfans und anderen Interessierten mitzuteilen. Sie werden aber nicht Gleichgültigkeit und Intoleranz akzeptieren und sich selbst treu bleiben.

 

Anmerkung: Der ungekürzte Beitrag findet sich in unserem Buch  "Digitalisierung für und über kreative Manager"

 

10 Episoden über Kultur, Werte, Führung und die Symbiose von Mensch und Bär - auf den Punkt gebracht (ISBN: 9783743143609)